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Pink Diamond Princess- Folge 13


Damars Hauptstadt Denhaus war das Zentrum von Wissenschaft und Technik. Cassian bestaunte die elektrisch betriebenen Straßenbahnen sowie die vielen Fabriken, die wie die Pilze in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen waren. Was Ethera an Schönheit und Kultur bot, war in Denhaus nicht zu finden. Die Stadt von König Joachim glich eher einer riesigen Arbeiterstadt, die nur so von rauchenden Schornsteinen strotzte. Cassian rümpfte die Nase. Der Gestank des Rauches drang trotz geschlossener Türen und Fenster in seine Kutsche ein.

Tief in Gedanken versunken, blickte er nach draußen. Selbst die wenigen protzigen Stadthäuser der Aristokraten, die die Hauptstadt bewohnten - darunter die Königsfamilie -, brachten Abwechslung in das schmutzige und überfüllt wirkende Stadtzentrum. König Joachims Palast war wenige Kilometer von der Stadt entfernt und pompös angelegt. Es war selbst nach zwanzig Jahren Renovierung und ständigem Anbau nicht fertiggestellt, was mitunter daran lag, dass ihr Herrscher noch immer versuchte, sich das herrenlose Solmere einzuverleiben. Seit zwei Jahrzehnten kämpft Ethera darum, die alte Ordnung und die Gebiete von Solmere in ihrem Königreich zu halten, trotz der zahlreichen Angriffe Damars. Aber ohne Hoffnung auf einen baldigen Fund der verlorenen, jungen Duchess kann das Volk nicht mehr lange durchhalten.

Cassian schüttelte bei dem Gedanken den Kopf. War seine Schwester die letzte Chance? Hatte deshalb seine Mutter Ariane jahrelang unter den Namen Adrian aufgezogen, um die rechtmäßige Erbin zu verstecken und damit Damars die Möglichkeit zu geben, sich das Gebiet zu holen? Das Testament seines Vaters lieferte nur den Hinweis auf das Haus Solmere, aber nicht den Beweis für Arianes Herkunft. Er brauchte Antworten von Lady Katherine, koste es, was es wolle. Mit leeren Händen wollte er nicht nach Ethera zurückkehren.

Als die Kutsche zum Stehen kam und sich die Türen öffneten, stand bereits seine Mutter mit zusammengekniffenen Augen am Eingang des Stadthauses. Ihr blondes Haar war zu einer aufwändigen Frisur aufgetürmt und ihr Kleid saß streng und perfekt an ihrem schlanken Körper. Sie strahlte in ehrwürdiger Eleganz und bitterer Kälte. Er hatte ihre smaragdgrünen Augen geerbt, aber in ihren erkannte er nicht den Hauch mütterlicher Wärme oder Güte. Für Lady Katherine war er nichts als ein Accessoire – sie prahlte mit seinen Errungenschaften, mit seiner Erscheinung, doch die beiden verband kaum etwas. Sie empfand keine Liebe für ihn und er nicht für sie, die ihm völlig fremd erschien, da er bei seiner Großmutter väterlicherseits aufgewachsen war.

„Cassian, welch Freude, dich zu sehen, mein Kind!“, sagte, sie, während sie ihm ihre Wangen hinhielt.

„Mutter, Ihr seht wie immer makellos aus. Wie geht es Euch?“, fragte Cassian und küsste sie, wie der Anstand es gebot nur andeutungsweise. Eine Erinnerung blitzte in ihm auf, als er versucht hatte, seine Mutter als kleiner Junge wahrhaftig auf die Wange zu küssen. Sie hatte ihm angewidert eine schallende Ohrfeige verpasst und ihn gewarnt, es nie wieder zu versuchen. Lady Katherine hasste es, wenn man ihre porzellanartige Haut beschmutzte. Er bot ihr in aller Höflichkeit seinen Arm an, unter dem sie sich unterhakte und ihn ins prachtvolle Haus führte.

„Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs, Cassian? Ich hörte, Lord Callus ist von uns gegangen? Ich gratuliere dir zum rechtmäßigen Titel des Marquis, mein Sohn.“

„Ich komme wegen Vaters Testament, Mylady. Ich habe Fragen, die womöglich nur Ihr beantworten könnt.“

„Ist das so? Dein Vater hat mich kaum in seine Geschäfte eingewiesen, aber ich werde mich bemühen, dir zu helfen, Cassian.“


 

Als sie gespielt genervt ihre Tasse wegschob, wusste Cassia, dass seine Mutter log. Er kannte ihre Spielchen und wann sie leere Versprechen oder hohle Phrasen sprach. Ihr manipulatives Wesen hatte er dank seiner Großmutter leicht durchschaut. Lady Margeret hielt nichts von Katherine. Sie konnte sie lesen wie ein Buch und brachte es schnell Cassian bei, damit er den Worten seiner Mutter nicht allzu viel Gewicht schenkte. Sie hatte ihm mehr als einmal durch nicht eingehaltene Versprechungen und Lügen das Herz gebrochen.

„Ihr wollt mir weismachen, Ihr habt sie zu ihrem Besten als Junge erziehen lassen, weil Ihr Angst hattet, dass das arme Mädchen auf die Straße gesetzt worden wäre? Mutter, ist das Euer Ernst? Großmutter wäre mehr als bereit gewesen, Ariane aufzunehmen. Sagt mir die Wahrheit, bitte!“, bat er sie eindringlich.

„Was willst du von mir hören, Cassian? Ich hielt es für das Beste, sie von Lady Margeret fernzuhalten. Als unehelicher Sohn hätte sie keinen Anspruch auf ein Erbe, als uneheliche Tochter wäre ihr wenigstens eine Mitgift zugute gekommen. Sei dankbar, dass alle Welt sie für einen Jungen hält, so musst du nicht dein Erbe teilen“, wiegelte sie ihn ab und starrte zum Kamin.

„Ich werde Ariane geben, was ihr zusteht. Sie ist meine Schwester und ich wünsche ihr nur das Beste.“

„Das ist deine Entscheidung. Wenn du so töricht sein willst, bitte. Verschwende dein Geld an eine Göre, dessen Mutter ein einfaches Hausmädchen war!“, grollte Lady Katherine.

„Vater erwähnte in seinem Testament das Haus Solmere. Ich glaube nicht, dass Ariane die Tochter einer Magd ist. Mutter, ich bitte Euch! Wenn Ihr mehr wisst, sagt es mir!“, forderte Cassian und fixierte seine Mutter mit seinen grünblauen Augen.

„Mach dich nicht lächerlich! Haus Solmere? Ich bitte dich, das Mädchen ist ein wertloses Ding. Hat sie dir das eingeredet? Versucht sie dich mit ihrer unschuldigen Art um dein Hab und Gut zu bringen, wie einst ihre Mutter deinen Vater? Was hat sie dir noch erzählt?“

„Ariane bat mich lediglich, sie wieder nach Amréne zurückzubringen. Sie fordert nichts für sich ein. Oder was fürchtet Ihr so sehr, Lady Katherine? Was wisst Ihr über ihre Mutter?“

„Ich kann dir nicht helfen, mein Sohn. Du verrennst dich in etwas, Cassian. Wenn du Ariane einen Gefallen tun willst, lass sie verschwinden. Gib ihr Geld, damit sie sich fern von dir ein Leben finanzieren kann und beerdige vor aller Welt deinen Bruder. Du heiratest in die königliche Familie ein, denk an deinen Ruf! Glaubst du wirklich, dass Prinzessin Rose erfreut über die Verwandtschaft zu einem Kind eines Hausmädchens sein wird?“

Frustriert streifte sich Cassian durch die Haare und strich sich die Strähnen aus der Stirn. Das brachte ihm nichts, er hatte genug gehört. Wie immer war seine Mutter keine Hilfe gewesen. Er musste nach Solmere.

 

Lord Cerim saß in Arianes Salon und las eines der Bücher aus der Bibliothek. Seit Stunden, ohne ein Wort mit ihr zu wechseln. Nach der Soiree bei Prinzessin Rose besuchte Cerim Ariane täglich. Er gab sich wortkarg, murrte hin und wieder und tat sonst nichts, als ihr über die Schulter zu schauen oder zu lesen. Arianes anfängliche Freude über seine wiederkehrenden Besuche schlug um und sie gewann den Eindruck, als wartete der Duke nur darauf, dass sie sich mit Prinz Paris traf.

Frustriert klatschte sie das offene Buch in ihrem Schoß zu und seufzte schwer. „Das ist doch lächerlich.“, rief sie in die andauernde Stille zwischen ihnen.

„Was ist lächerlich, Adrian?“ Cerim sah auf und zwinkerte mehrmals. Mit gerunzelter Stirn musterte er sie.

„Warum sitzt Ihr nun den vierten Tag hier, Mylord? Ihr sprecht kaum ein Wort mit mir, blättert in den Büchern, als ob sie kaum von Interesse für Euch sind und doch sitzt Ihr stundenlang hier. Warum?“

Cerim schlug das Buch zu und überkreuzte die Beine. Er lehnte sich lässig zurück und betrachtete sie mit seinen saphirfarbenen Augen. „Ich genieße deine Gesellschaft“, sagte er schlicht und brachte sie mit diesem einfachen Bekenntnis zum Staunen.

„Wir lesen. Ihr … wir … sprechen doch kaum ein Wort miteinander! Was daran könntet Ihr genießen, Mylord?“

„Genau das. Du hast nicht das Bedürfnis, meine Aufmerksamkeit mit sinnlosem Geschwätz zu erhaschen. Außerdem … habe ich so ein Auge auf dich, falls dieses Aas dich aufsuchen oder bedrängen sollte.“

„Meint Ihr Prinz Paris, Mylord? Habt Ihr dafür nicht Sir Henri abgestellt? Um auf mich aufzupassen? Ihr müsst hier nicht Eure kostbare Zeit verschwenden, Lord Cerim“, sagte Ariane energisch und stand mit ihrem Buch in den Händen auf. Sie kletterte auf eine an das Regal gelehnte Leiter, um es wieder zurückzustellen. Cerim folgte ihr und zog die Augenbrauen zusammen.

„Sir Henri begleitet dich in der Akademie. Und ich schätze es nicht sehr, wenn ich mich wiederholen muss. Ich finde Gefallen an deiner Gesellschaft, Adrian. Du schenkst mir eine gewisse Ruhe - bis auf dein nervöses Lippengebeiße, wenn du mich etwas fragen möchtest.“ Er grinste sie an und hielt die Leiter fest.

„Ich beiße doch nicht auf meiner Lippe herum, Mylord!“, stritt sie ab und leckte mit der Zunge über die wunden Stellen.

„Doch. Tust du.“ Er ergriff ihr Kinn und strich mit dem Daumen über ihre pochende Unterlippe, die sie zwischen den Zähnen gefangen hielt.

Ariane schoss das Blut in die Wangen und zuckte vor dem Prickeln, das seine Berührung in ihr auslöste, zurück. Sein Blick war stoisch auf sie gerichtet. Sie schluckte und wandte sich ab. Wenn er mir so nah ist, kann ich nicht klar denken.

„Was ist los?“, flüsterte er.

Ariane konzentrierte sich auf seinen Hals, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie fürchtete, dass er ihr Verlangen, mehr von ihm zu spüren, in ihr lesen könnte. Sein Adamsapfel zuckte und sie atmete scharf ein. Cerims sauberer Lavendelduft benebelte sie und sie kämpfte um ihre Fassung, während ihr Herz in ihrer Brust pochte. Er war zu nah.

Sie drehte sich hektisch um und stieg mit dem Buch in der Hand auf die Leiter. Als sie ans oberste Fach gelangte, schob sie es zurück und versuchte auf die untere Sprosse zu treten. Ariane, die darauf achtete, ihre Beherrschung zurückzugewinnen, verschätzte sich bei der Entfernung und trat daneben. Sie verlor das Gleichgewicht und landete mit einem Aufschrei in Cerims Armen. Sie hielt sich an ihm fest und sah ihn mit großen Augen an.

„Was machst du bloß?“, fragte er zischend und zog sie dicht an sich.

„Ver… verzeiht, Mylord! Danke …“, antwortete sie mit leiser Stimme und strampelte, um sich aus seinen Armen zu befreien.

Cerims Hände an ihrer Taille und unter ihren Knien waren nur wenige Zentimeter davon entfernt, ihr Geheimnis zu erfühlen. Ariane erstarrte, als er zupackte. Cerim machte keine Anstalten sie wieder hinunterzulassen, sein Gesicht nah an ihrem. Wenn sie den Kopf hob, könnte sie seine wohlgeschwungenen Lippen berühren.

Er zog scharf die Luft ein und keinen Wimpernschlag später drückte er seinen Mund auf ihren und küsste sie. Ihr blieb der Atem weg. Ihr Herz pochte wie verrückt und sie wagte es nicht, sich zu bewegen. Sie starrte Cerim in die Augen, der sie mit gerunzelter Stirn schloss und sie an sich zog. Ariane griff in Cerims Nacken, zog ihn näher zu sich und mit einem tiefen Seufzen erlaubte sie sich für einen Moment es zu genießen. Ihr Kopf war wie leer gefegt, beherrscht vom Prickeln auf ihrer Haut. Seine Zungenspitze forderte Einlass und vorsichtig öffnete Ariane ihre Lippen und kam der seinen entgegen. Cerim stöhnte auf, verlangte mehr und verschlang sie mit Haut und Haaren.

Als ihnen die Luft ausging und sie nach Atem schnappten, sahen sich die beide an und keuchten laut. Ein Klopfen an der Tür ließ sie aufschrecken und Cerim setzte Ariane auf die wackeligen Beine ab.

Piper kam herein und entschuldigte sich für die Störung. „Mylord, Prinz Paris ist da. Er wünscht Euch zu sprechen. Er sagt, er habe einen Brief von Lord Callus dabei und möchte ihn persönlich abgeben.“

„Einen Brief von Cassian? Lass ihn eintreten, Piper“, sagte Ariane und räusperte sich, während sie ihre verrutschte Kleidung richtete.

Cerim strich sich durch die Haare. Verbissen starrte er auf die Tür, hinter der das Dienstmädchen wieder verschwunden war. „Warum sollte Cassian ihm einen Brief für dich schicken? Was soll das?“

„Ich weiß es nicht, Mylord“, antwortete Ariane. Sie wagte es nicht mehr, Cerim in die Augen zu sehen und fächerte sich Luft zu, um ihre glutroten Wangen zu kühlen. Was habe ich nur getan!

Die Tür öffnete sich und Paris trat ein, kam mit aufgerissenen Armen, die sich um sie schlangen, auf sie zu.

„Eure Hoheit!“ Verlegen versuchte Ariane sich daraus zu lösen, doch er ließ es nicht zu.

Paris legte ihr einen Arm um die Schulter, drehte sie um und zog sie nahe zu sich. „Wie ärgerlich! Ihr schon wieder, Lord Moreno. Belästigt dich Moreno etwa, Ari?“, fragte er, ohne sie anzusehen.

Die beiden Männer durchbohrten sich mit Blicken und Ariane fürchtete, dass sie sich augenblicklich an die Gurgel gehen würden. Cerims gesamte Haltung hatte sich geändert. Er wirkte bereit, sich zwischen sie zu drängen und Paris an die Wand zu drücken.

„Eure Hoheit, Ihr habt ein Schreiben meines Bruders für mich?“ Ariane versuchte die Männer abzulenken.

„Ja, das habe ich. Cassian kehrt in den nächsten Tagen auf meinem Landsitz ein. Er bat mich, dich mitzunehmen“, erzählte Paris aufgedreht und richtete seinen Blick auf sie. Sein Lächeln wirkte echt und seine grauen Augen strahlten sie an.

„Aber … die Akademie! Warum kommt er nicht nach Ethera zurück?“ Ariane löste sich aus seiner Umarmung.

„Er hat einen Namen, Ari. Nicht nur das, er möchte dir jemanden vorstellen. Die Person wartet dort auf dich.“

„Einen Namen?“ Aufregung durchströmte sie.

„Du gehst nirgendwo hin. Zeigt mir den Brief, Prinz. Vorher lasse ich Adrian nicht gehen!“

„Ihr wagt es, an meinem Wort zu zweifeln, Moreno?“ Drohend baute sich Paris vor dem Duke auf, der nicht einen Zentimeter zurückwich.

Ariane schnappte sich den hervorgeholten Brief aus Paris’ Hand und begann zu lesen. „Mylord, das ist Cassians Handschrift. Er möchte wirklich, dass ich Prinz Paris begleite. Lest selbst.“

Cerim Kiefer spannte sich und er wandte Ariane das Gesicht zu. Sie überreichte ihm das Schreiben und er überflog die geschriebenen Zeilen.

„Wann brecht Ihr auf?“, zischte Cerim und beobachtete jede Regung von Ariane.

„Morgen Vormittag hole ich dich ab, Ari. Leichtes Gepäck, wir werden dir neue Sachen besorgen, wenn wir in Lares, meinem Landsitz, ankommen. So sind wir am schnellsten“, erklärte Paris.

„Du solltest Horizon mitnehmen. Er macht dem Stalljungen Ärger“, sagte Cerim trocken.

„Mylord?“

„Horizon?“, fragte Paris.

„Mein Hengst, Eure Hoheit. Er ist sehr eigen und an den Stall hier noch nicht gewöhnt. Könnte ich ihn mitnehmen?“

„Natürlich. Was immer du dir wünschst, Ari. Ich verlasse Euch jetzt, damit du in Ruhe packen kannst. Wir sehen uns morgen.“ Paris lächelte sanft. „Ihr solltet Euch verabschieden, Duke Moreno“, sagte er in eisigem Ton und drückte Arianes Hand. Er wandte sich ab und ging.

Casa. Merk dir das Kommando“, sagte Cerim und starrte zum Fenster hinaus.

„Mylord?“ Verwirrt sah ihn Ariane an.

„Dein Pferd kennt den Weg nach Hause. Falls du dich je bedroht fühlst, sag Casaund sieh nicht zurück.“ Cerim richtete sein Jackett und sah hinaus. Ohne Abschied verließ er das Haus.

In Ariane tobten die Gefühle. Casa – nach Hause. Doch wo war ihr Zuhause?


 

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